ESG-Berichterstattung & Omnibus-Paket: Was KMU wirklich wissen müssen

Omnibus-Paket & ESG: Was sich für KMU wirklich ändert – und warum sie wachsam bleiben sollten

Weniger Auflagen, weniger Normen, mehr Flexibilität: Das Omnibus-Paket verspricht, die ESG-Berichtspflichten für KMU zu lockern.

Doch hinter dieser regulatorischen Erleichterung lauert eine reale Gefahr: die Annahme, ESG sei keine Priorität mehr.

Im Kontext von nachhaltiger Transformation und wachsendem Druck in den Wertschöpfungsketten sollten Schweizer KMU jetzt umso mehr vorausdenken. Hier erfahren Sie, warum – und wie Sie es klug angehen. 

Einleitung: Das Omnibus-Paket entschlackt den Rahmen – nicht aber die Herausforderungen

2025 führt die EU-Kommission ein Reformpaket ein, bekannt als Omnibus-Paket.

Ziel: die ESG-Berichtspflichten zu vereinfachen, insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen. Höhere Schwellenwerte, längere Fristen, Streichung einzelner Normen.

Auf den ersten Blick gute Nachrichten: weniger Bürokratie, tiefere Kosten, weniger formaler Druck.

Aber ist diese Entlastung auch strategisch ein Gewinn?

Die Realität – auch bestätigt durch die Schweizer Dynamik – ist, dass ESG nicht verschwindet, sondern seine Form ändert: stärker integriert, praxisnäher, ausgerichtet auf Kunden, Kapitalgeber und Partner.

Für Schweizer KMU heisst das: nicht aus ESG aussteigen, sondern es anders vorbereiten. Dieser Artikel zeigt die entscheidenden Hebel.

Das Omnibus-Paket bringt:

  • höhere Schwellenwerte (1 000 Mitarbeitende und hoher Umsatz),
  • spätere Fristen (bis 2028),
  • eingeschränkte Prüfung (Limited Assurance),
  • Streichung branchenspezifischer ESRS-Standards.

Ergebnis: In der EU sinkt die Zahl der Unternehmen unter CSRD von 50 000 auf 10 000. In der Schweiz von rund 3 500 auf etwa 700. Eine deutliche Entlastung.

Diese Entlastung ist jedoch technisch, nicht strategisch. Parallel dazu:

  • steigen Kundenerwartungen,
  • knüpfen Banken Kreditkonditionen an ESG-Kriterien,
  • wird die Lieferkette transparenter.

Praxis-Tipp:

  • Prüfen Sie: Fallen Sie noch unter die gesetzlichen Vorgaben? Falls nicht, gehören Sie trotzdem zum erwarteten Kreis Ihrer Kunden?
  • Richten Sie einen freiwilligen ESG-Governance-Rahmen ein, der zu Ihren realen Herausforderungen passt.

Auch ohne gesetzliche Pflicht bleiben KMU gefordert:

  • Auftraggeber, die ihre Wertschöpfungskette dokumentieren müssen (CSDDD),
  • Banken, die ESG-Kriterien in die Kreditvergabe aufnehmen,
  • Öffentliche Hand, die Nachhaltigkeit in Ausschreibungen verlangt,
  • Fachkräfte, die Arbeitgeber nach Werten auswählen.

Kein ESG-Engagement vorweisen zu können, bedeutet Risiko von Auftragsverlusten, Wettbewerbsnachteilen und erschwerter Rekrutierung.

Praxis-Tipp:

  • Erstellen Sie ein kompaktes ESG-Profil (2 Seiten) für Ausschreibungen.
  • Antizipieren Sie Kundenfragen zu CSR, Vertragsklauseln und Lieferantenratings.

Der VSME-Standard (Voluntary Standard for non-listed Micro, Small and Medium-sized Enterprises) des EFRAG wird zum Referenzrahmen für KMU.

Er ist:

  • modular – anpassbar an die Unternehmensgrösse,
  • vereinfacht – weniger formal als die CSRD,
  • anerkannt – schafft europaweit Vertrauen.

So lässt sich Reporting ohne Überlastung strukturieren und gleichzeitig die Erwartungen der Anspruchsgruppen erfüllen.

Praxis-Tipp:

  • Bestimmen Sie Ihr Engagement-Niveau: Basis, Mittel oder Fortgeschritten.
  • Integrieren Sie VSME-Module schrittweise in Ihre ESG-Strategie.

Wer erst bei Pflichtbeginn seine Daten strukturiert, ist zu spät dran.

Frühes Handeln bringt:

  • Flexibilität bei externen Anfragen,
  • bessere Entscheidungsgrundlagen intern,
  • nachhaltige Wettbewerbsvorteile.

Praxis-Tipp:

  • Bündeln Sie ESG-Kennzahlen (auch einfache wie Energie, Geschlechterverhältnis, Absenzen).
  • Schaffen Sie einen gemeinsamen Datenpool für GL, HR und Finanzen.​

Nachhaltigkeit ist ein Wettbewerbsfaktor, kein Compliance-Formular. Sie schafft:

  • Resilienz in Krisen,
  • Differenzierung in gesättigten Märkten,
  • Ausrichtung auf Klimaziele 2050.

ESG-Reporting – auch reduziert – ist eine Chance zur strategischen Steuerung.

Praxis-Tipp:

  • ESG regelmässig auf die strategische Agenda setzen (z. B. quartalsweise).
  • Reporting als Steuerungsinstrument, nicht als Pflichtübung nutzen.

Fazit: Vereinfachung ist kein Ausstieg

Das Omnibus-Paket vereinfacht die Pflicht. Es beseitigt weder Markterwartungen noch Kundendruck oder den Nutzen einer strukturierten Nachhaltigkeitssteuerung.

Schweizer KMU haben jetzt die Chance, ihre ESG-Reife in eigenem Tempo aufzubauen, mit passenden Werkzeugen (z. B. VSME) – bevor der Zwang kommt.

Das Wichtigste auf einen Blick​


  1. Omnibus-Paket reduziert die rechtlichen ESG-Pflichten, nicht die Markterwartungen.
  2. Abwärtsdruck auf KMU über Kunden, Banken, Talente bleibt bestehen.
  3. VSME ist eine freiwillige, pragmatische und modulare Lösung.
  4. Gut strukturiertes freiwilliges Reporting stärkt Glaubwürdigkeit, Finanzierung und Wettbewerbsfähigkeit.
  5. Vorbereiten ist besser als reagieren: Daten strukturieren, ESG in Strategie integrieren, Prozesse ausrichten.

Checkliste Verwaltungsrat: KI und Sorgfaltspflicht

ESG-MassnahmeErledigt?
Regulatorische Betroffenheit geprüft?Ja / Nein
ESG-Profil erstellt?Ja / Nein
Zentrale ESG-Daten strukturiert?Ja / Nein
ESG-Verantwortliche:r intern bestimmt?Ja / Nein
Einsatz von VSME geprüft?Ja / Nein
ESG auf der GL-Agenda?Ja / Nein



Glossar der Abkürzungen

CSRDCorporate Sustainability Reporting Directive
EU-Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung, verpflichtet grosse Unternehmen zur strukturierten ESG-Offenlegung.

CSDDDCorporate Sustainability Due Diligence Directive
EU-Richtlinie zur Sorgfaltspflicht in der Lieferkette, insbesondere zu Menschenrechten und Umwelt.

ESGEnvironment, Social, Governance
Drei Säulen der Nachhaltigkeit zur Bewertung der nichtfinanziellen Unternehmensleistung.

ESRSEuropean Sustainability Reporting Standards
EU-Standards, die die inhaltlichen Anforderungen der CSRD konkretisieren.

GRIGlobal Reporting Initiative
International anerkanntes ESG-Reporting-Framework, freiwillig und umfassend.

VSMEVoluntary Standard for non-listed Micro, Small and Medium-sized Enterprises
Freiwilliger ESG-Reporting-Standard für nicht börsenkotierte europäische KMU.

EFRAGEuropean Financial Reporting Advisory Group
Von der EU-Kommission beauftragtes Gremium zur Entwicklung der ESG-Standards (ESRS, VSME).

DSGDatenschutzgesetz (Schweiz)
Schweizer Rechtsrahmen für Erhebung, Nutzung und Aufbewahrung personenbezogener Daten, in Kraft seit 2023.

Geschäftsstelle 18. August 2025
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