Eine gemeinnützige Organisation führen: 7 zentrale Unterschiede zur Unternehmens­governance

Vereins- und Stiftungs­governance: 7 Schlüssel, um eine NPO zu führen – ohne das Unternehmensmodell einfach zu kopieren

Eine gemeinnützige Organisation ist kein Unternehmen – 7 zentrale Unterschiede, die Sie kennen müssen

Verwaltungsrat einer Stiftung oder eines Vereins: dieselbe Rolle wie im Unternehmen? Nicht ganz. Hinter ähnlichen Titeln und Strukturen folgt die Governance gemeinnütziger Organisationen (NPO) eigenen Gesetzmässigkeiten. Ehrenamtliche Mandate, Mitgliederbezug, Kommunikation, Finanzierung, Interessenkonflikte, Rolle der Präsidentin oder des Präsidenten – hier sind 7 Schlüsselpunkte für Verständnis und Erfolg in der Vereins- und Stiftungsgouvernanz, inspiriert aus der Erfahrung eines langjährigen Präsidenten im Schweizer Sport.

Einleitung: Das Businessmodell auf eine NPO übertragen – verlockend, aber riskant

Vom Verwaltungsrat eines Unternehmens an die Spitze einer gemeinnützigen Organisation zu wechseln, scheint auf den ersten Blick naheliegend. Gleiche Struktur, gleiche Begriffe, teils ähnliche Budgets. Und doch…

In der Realität sind die kulturellen, rechtlichen und führungstechnischen Unterschiede tiefgreifend. Das Unternehmen verfolgt Rentabilität. Die NPO verfolgt einen gemeinnützigen Zweck – oft historisch gewachsen, mit begrenzten Mitteln und demokratischer Governance.

Die Erfahrung eines Präsidenten eines Schweizer Sportverbands, der vom Unternehmensumfeld ins Vereinswesen wechselte, zeigt 7 entscheidende Punkte, um den Führungsstil anzupassen und Übertragungsfehler zu vermeiden.

Eine NPO, ob Verein oder Stiftung, unterliegt den Artikeln 60 ff. des Schweizerischen Zivilgesetzbuchs, nicht dem Obligationenrecht wie eine kommerzielle Gesellschaft.

Das verändert alles: Ziel ist nicht der Gewinn, sondern die Erfüllung eines gemeinsamen Zwecks. Im Fall des Schweizerischen Hängegleiter-Verbands (SHV) etwa geht es darum, die Interessen von Delta- und Gleitschirmpilot:innen zu vertreten – eine Gemeinschaft von 22 000 Mitgliedern.

Manche NPOs nehmen historisch eine quasi-monopolistische Position ein – mit öffentlichen Aufträgen (z. B. vom SECO oder dem BAZL) oder Bundesbeiträgen. Diese strukturelle Macht ist nicht immer formalisiert, aber vorhanden.

Merke:

  • Eine NPO agiert nicht in einem offenen Markt, sondern in einem Gemeinwohl-Ökosystem, oft institutionell verankert.
  • Legitimität kommt aus Geschichte, Mission und der Fähigkeit, eine Gemeinschaft zu vertreten.​

In Unternehmen wollen Aktionäre Rendite. In NPOs sind die Mitglieder zugleich Nutzniessende und Entscheidungsträger.

Sie wählen die Organe, genehmigen Budgets, gestalten das Vereinsleben mit – und identifizieren sich oft stark mit der Mission. Der Verwaltungsrat braucht daher eine dialogische und inklusive Haltung.

Kommunikation dreht sich nicht um Renditen, sondern um Aktivitäten, Projekte und gesellschaftliche Wirkung. Sie muss klar, zugänglich und glaubwürdig sein.

Gute Praxis:

  • Leistungen und konkrete Resultate aufzeigen, nicht nur Zahlen.
  • Mitglieder früh in strategische Entscheide einbeziehen.
  • Kritik als Teil des Vereinslebens akzeptieren und konstruktiv beantworten.

Die meisten NPOs arbeiten mit begrenztem Budget, heterogener Finanzierung (Beiträge, Subventionen, Dienstleistungen) und hohem Anteil an ehrenamtlicher Arbeit. Das bedeutet:

  • Abhängigkeit vom individuellen Engagement
  • ständige Priorisierung der Mittel
  • Schwierigkeiten bei der Professionalisierung zentraler Funktionen

Beim SHV arbeiten rund 15 Angestellte mit etwa 30 externen Mandatsträger:innen und zahlreichen Freiwilligen. Die Präsidentin oder der Präsident investiert etwa 10 % ihrer oder seiner Zeit. Die Direktion ist Vollzeit professionell besetzt.

Merke:

  • Dort professionalisieren, wo es entscheidend ist (Direktion, Sicherheit, Finanzen); wo möglich, den Vereinscharakter erhalten.
  • Akzeptieren, dass Prozesse Zeit brauchen – und diese Zeit ein Teil des Prozesses ist.

In mittelgrossen bis grossen NPOs gibt es oft das Duo ehrenamtliche Präsidentin/Präsident – angestellte Direktorin/Direktor. Ein sensibles Gleichgewicht:

  • Die Präsidentin oder der Präsident gibt Impulse, repräsentiert, moderiert den Verwaltungsrat.
  • Die Direktion führt, strukturiert, setzt um und berät strategisch.

Rollenvermischung oder fehlende gemeinsame Vision führen oft zu Spannungen. Klare Rollen, definierte Zusammenarbeit und gegenseitiges Vertrauen sind entscheidend.

Gute Praxis:

  • Rollen in einer Governance-Charta festhalten.
  • Regelmässige Sitzungen zwischen Präsidium und Direktion.
  • Direktion strategisch einbeziehen, ohne politische Entscheide zu delegieren.

Verwaltungsratsmitglieder in NPOs kommen oft direkt aus der Basis: Lehrpersonen, Vereinsleitende, Geschäftspartner. Interessenkonflikte sind kaum zu vermeiden.

Anders als in börsenkotierten Unternehmen gibt es selten formalisierte Regeln – trotzdem braucht es klare, pragmatische Verfahren.

Beispiel aus der Praxis:

Im SHV verlässt ein Mitglied, das einer Flugschule oder einer Gleitschirmmarke verbunden ist, den Raum bei Entscheidungen zu diesem Bereich. Dieser Rückzug ist symbolisch und respektiert.

Merke:

  • Rücktritts- bzw. Ausstandsregeln in Statuten oder Reglement verankern.
  • Rückzüge nicht dramatisieren: Sie sind gesund, erwartet und schützen die Organisation.​

Führung in NPOs basiert weniger auf Autorität als auf der Fähigkeit, Gemeinschaft zu schaffen.

Keine hierarchische Weisungsbefugnis gegenüber Verwaltungsratsmitgliedern, die meist ehrenamtlich und mit persönlichem Engagement arbeiten. Die Präsidentin oder der Präsident ist:

  • Diskussions­moderator:in
  • Diplomat:in in komplexen Situationen
  • Botschafter:in nach aussen
  • Energie­steuernde:r nach innen

Mehrheitsentscheide sind möglich, Konsens ist oft vorzuziehen. Autoritärer Stil wirkt kontraproduktiv.

Gute Praxis:

  • Offene, positive, inklusive Kommunikation pflegen.
  • Sitzungen gut vorbereiten, um ehrenamtliche Energie zu respektieren.
  • Entscheidungsfähigkeit behalten – bei Anerkennung aller Beiträge.

7. Compliance in NPOs: langsam wachsend, aber unvermeidlich

Compliance (Einhaltung interner und externer Regeln) wird auch in NPOs immer wichtiger. Öffentlichkeit, Spender, Sponsoren und Behörden erwarten Sicherheit.

  • Ethischer Umgang mit Ressourcen
  • Finanzielle Transparenz
  • Nachvollziehbarkeit von Entscheiden
  • Klare Regelung von Interessenkonflikten
  • Diversitäts­anforderungen

Beispiel:

Im Sport schreibt Swiss Olympic heute einen Mindestanteil von 40 % eines Geschlechts in Vorständen vor – ein Meilenstein.

Merke:

  • Compliance-Tools schrittweise einführen: saubere Protokolle, Ethik-Kodex, Ausstandsregeln.
  • Nicht auf eine Krise warten, um zu strukturieren.

Fazit: Eine NPO zu führen heisst, anders zu führen – mit denselben Ansprüchen

Vereins- und Stiftungsgouvernanz ist kein «Light»-Management. Sie erfordert dieselbe Aufmerksamkeit, Struktur und strategische Klarheit wie private Unternehmen – zusätzlich mit einer echten Verankerung in Menschen und Gemeinschaft.

Die Unterschiede sind wesentlich: Sie betreffen Führungsverständnis, Entscheidungswege, Motivation der Verwaltungsratsmitglieder, Machtwahrnehmung und Wertschöpfung.

Erfolg erfordert die Balance von ehrenamtlichem Engagement und gezielter Professionalisierung, kollektiver Ambition und Budgetdisziplin, demokratischem Zuhören und strategischem Denken.

Es ist keine einfachere Führung – sondern eine subtilere und oft anspruchsvollere.

Das Wichtigste auf einen Blick​


  1. Spezifische Rechtsgrundlage: NPOs unterliegen dem ZGB, nicht dem OR.
  2. Mitglieder vor Aktionären: kooperative statt kapitalorientierte Logik.
  3. Begrenzte Mittel: gezielte Professionalisierung ist entscheidend.
  4. Präsident-Direktion-Tandem: funktioniert nur mit klaren Rollen.
  5. Häufige Interessenkonflikte: mit Transparenz und Ausstandsregeln managen.
  6. Horizontale Führung: Motivation ist meist nicht finanziell.
  7. Wachsende Compliance: frühzeitig angehen, auch ohne gesetzlichen Zwang.


Geschäftsstelle 18. August 2025
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